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Lehre

Studiengangsbeschreibung

Polnischsprachiger Masterstudiengang ab dem Jahr 2012/2013 European Studies

Fachrichtung: Holocaust und Totalitarismus Krakau

Warum wurde dieser Studiengang eingerichtet?

Der Holocaust gilt als eine der wichtigsten moralischen und bildungstechnischen Herausforderungen für die europäische Zivilisation. Er stellte nicht nur das durch das europäische Kultur- und Zivilisationserbe geprägte juristische und politische System in Frage, sondern negierte auch die Grundbegriffe der Ethik. Er brachte die christliche Zivilisation mit ihrer Barmherzigkeit gegenüber den Nächsten aus dem Gleichgewicht und zerstörte das Projekt der bürgerlichen Laiengesellschaft aus dem 19. Jahrhundert mit seiner Doktrin und seinem Assimilationsversprechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung als Bürger mit Mitverantwortung für das Wohl des Nationalstaats. Um die Geschichte zu verstehen, dürfen philosophische Fragestellungen nicht ignoriert werden. Das Stellen solcher Fragen hilft, die Schattenseite der menschlichen Natur verstehen zu lernen. Der oberflächliche, aus der Zeit der Aufklärung stammende Optimismus in Bezug auf die Zukunft muss nicht komplett abgelehnt werden, seine Naivität jedoch sollte durch eine stärker reflektierte Sichtweise ersetzt werden.

Fragen über die Vernichtung der europäischen Juden sind nicht nur historischer oder ethischer Natur, sondern richten sich auch an die Soziologie, europäische Anthropologie sowie an die Forschung der europäischen Zivilisation als Ganzes und fungieren als Appell an die Pädagogik, das Bildungswesen, die Sozialpsychologie und die Kulturwissenschaften.

Ein weiterer und ebenso wichtiger Punkt ist die Bildung und die Sensibilisierung der jungen Generation in Polen zum Thema Holocaust sowie für Strukturen und Dynamiken der Entstehung totalitärer und autoritärer Staaten. Der Holocaust – ein besonderer Fall von Völkermord – hatte gleichzeitig eine universale und eine besondere Bedeutung. Er ist ein Problem, das sowohl die ganze Menschheit betrifft, als auch Polen ganz besonders. Denn er fand auf dem Gebiet des besetzten Polens statt und kostete das Leben vieler Millionen polnischer Bürger. Die Erinnerung an den Umschlagplatz, an die Ghettos, an die von den deutschen Nationalsozialisten auf dem Territorium des besetzten Polens errichteten Vernichtungslager - an Auschwitz-Birkenau, Majdanek, Treblinka, Bełżec, Sobibór und Chełm - liegt in der Verantwortung der Staatsgewalt und der kommunalen Behörden, ganz besonders aber auch in der Verantwortung von Universitäten, deren Aufgabe in der Ausbildung künftiger intellektueller Eliten der Gesellschaft besteht.

Für junge Polen, die den Holocaust und totalitäre Systeme lediglich vom Hörensagen kennen – sei es durch Familiengeschichten oder aus der Schule – ist dieser neue Studiengang eine Chance, nicht nur ihr bereits vorhandenes geschichtliches Wissen zu vertiefen, sondern auch die eigene Sensibilisierung für die Herausforderungen der Gegenwart zu schärfen. In diesem Sinne ist auch das Studienprogramm konzipiert: neben wissenschaftlichen Fakten zur Geschichte und zum Gedenken an die Vergangenheit enthält es auch Veranstaltungen zur Reflexion über die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Die heutige Welt wird immer wieder durch ethnische, religiöse und soziale Konflikte erschüttert, die auch die europäische Gemeinschaft nicht aussparen – in der Polen und die polnischen Bürger als Augenzeugen und Opfer der beiden größten totalitaristischen Systeme des 20. Jh. einen ganz besonderen Platz einnehmen.

Es waren die totalitären Systeme in Europa – der Nationalsozialismus und der Kommunismus -, die als erste die Vernichtung großer Bevölkerungsgruppen in ihre staatspolitischen Programme aufnahmen. Das Kennenlernen der Funktionsmechanismen totalitärer Staaten ermöglicht es, die Außergewöhnlichkeit des Holocaust und des blutigen, Abermillionen von Menschenleben verschlingenden sowjetischen Totalitarismus in seinem gesamten Ausmaß zu verstehen. In der klassischen Analyse Hannah Arendts existieren der sowjetische und der nationalsozialistische Totalitarismus nicht auf zwei getrennten, einander antagonistisch gegenüberstehenden Inseln – wie durch die damalige deutsche und sowjetische Propagandamaschinerie dargestellt – sondern koexistieren auf denselben Ebenen der Verachtung für das Leben des Einzelnen im Namen irrsinniger Utopien einer rassenreinen oder klassenlosen Gesellschaft der Zukunft: „(…) im Namen einer völligen logischen Kohärenz ist es für totalitäre Systeme unerlässlich, alle Spuren dessen zu zerstören, was wir umgangssprachlich als Menschenwürde bezeichnen. Die Achtung der Menschenwürde zieht nämlich die Anerkennung des Nächsten oder der Brudernationen als Subjekte nach sich, als Schöpfer neuer Welten oder Mitschöpfer der gemeinsamen Welt."

Hauptziel und Unterziele

Polen ist einer der 47 Unterzeichner der im Jahr 2000 angenommenen Erklärung des Stockholmer Internationalen Forums über den Holocaust. Punkt 5 der Erklärung lautet: „Wir teilen eine Verpflichtung, die Erforschung des Holocaust in all seinen Dimensionen anzuregen. Wir werden den Unterricht über den Holocaust an unseren Schulen und Universitäten, in unseren Gemeinden ebenso wie an anderen Einrichtungen fördern." Das oberste Ziel des Masterstudiengangs „Wissen über den Holocaust und totalitäre Systeme" ist es, diese Forderung zu erfüllen und dabei die höchsten intellektuellen und bildungstechnischen Standards zu wahren. Dieser Studiengang stärkt den immer noch unzureichenden Beitrag der akademischen Welt zur Schaffung einer Erinnerungskultur an den Holocaust in Zeiten, in denen die letzten Augenzeugen von uns gehen.

Der Studiengang hat zum Ziel, eine Einstellung zu fördern, die mit der Idee Theodor Adornos übereinstimmt: das fundamentale Erziehungsziel der gegenwärtigen Generationen ist es, ein zweites Auschwitz zu verhindern. Der Erwerb von Wissen führt in diesem Fall zur Gestaltung einer mentalen Einstellung, in der es keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus, Fremdenhass und Diskriminierung gibt.

Darüber hinaus zielt dieser Studiengang darauf ab, das Gedenken an die gesellschaftlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts wach zu halten. Hierbei liegt das besondere Augenmerk auf der Vernichtung der europäischen Juden. Das Studium bildet zukünftige Dozenten und Lehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter in Museen, Ausstellungskuratoren, Journalisten, Spezialisten für regionale Bildung, Mitarbeiter in Gedenkstätten und anderen Nichtregierungsorganisationen aus und trägt somit zur Gestaltung des Expertenkreises bei, der für die Erinnerungskultur in diesem Bereich Verantwortung trägt. Das didaktische Angebot berücksichtigt ganz besonders die Teilnahme von Studenten, die nationalen oder religiösen Minderheiten angehören sowie von Menschen mit Behinderung.

Ein weiteres Ziel des Studiengangs ist die Erarbeitung eines schlüssigen, methodologisch korrekten und innovativen akademischen Lehrprogramms über den Holocaust und totalitäre Systeme, die didaktische Qualifizierung des wissenschaftlichen Personals (u.a. durch akademische Austauschprogramme) sowie die Konsolidierung des akademischen Umfelds, die Zusammenarbeit von Hochschullehrern verschiedener Fakultäten, Studienrichtungen und Spezialisierungen, die gemeinsam ein Programm erarbeiten und das didaktische Angebot im Bereich Holocaust und totalitäre Systeme erweitern. Durch das Praktikumssystem stellt das Studium außerdem ein Angebot für aufstrebende Spezialisten dar, die nicht an Hochschulen beschäftigt sind: sie haben die Chance, ihr Wissen und ihre Berufserfahrung an Studenten und Dozenten weiterzugeben, indem sie Workshops durchführen und Praktikanten betreuen. Der Studiengang wird ergänzt durch die Expertenarbeiten von Mitarbeitern von Gedenkstätten, anderen historischen Museen, Kultureinrichtungen sowie Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltungen und NGOS, die gemeinsam an der Entwicklung der Bürgergesellschaft arbeiten und an einer Erweiterung ihres Wissens durch den Kontakt mit Wissenschaftlern und Spezialisten interessiert sind und die den Studenten ihre Erfahrungen, die Resultate ihrer Untersuchungen und die Konzepte ihrer Bildungsarbeit in Gedenkstätten und Museum präsentieren.